Zu Besuch bei… Mona Jones
Welcher Satz einer Bibliothekarin hat ihr klar gemacht, dass es sie zum Autorinnendasein zieht? Und warum schreibt sie auf ihre Einkaufszettel, dass jemand leiden muss? Willkommen in der Schreibwerkstatt von Mona Jones!
Wie sieht Ihr Schreiballtag aus?
Mein Schreiballtag hat wenig Geichmäßigkeit. Das liegt daran, dass ich auch als freie Übersetzerin arbeite und Projekte ohne Vorwarnung hereinpoltern. Der dringendste Termin bestimmt jeweils, mit was ich die meiste Zeit des bevorstehenden Tages verbringen sollte. An manchen Tagen reicht es für mein aktuelles Schreibprojekt nur zu einer Idee zwischendurch, die mich dann beim nächsten richtigen Binge-Schreiben weiterbringen. Wenn es dann so weit ist, kann ich endlos durchschreiben, weil ich mich so freue, alle meine Personen wieder zu treffen. Das ist nach einer Schreibpause ein schönes Gefühl – als stünde ich am Bahnhof, und der Zug mit meinen Liebsten fährt ein. Ich schreibe daheim, oft auf dem Balkon, besonders morgens, wenn die Stadt noch still ist, oder natürlich an meinem Schreibtisch. Das Manuskript entsteht immer auf meinem Laptop. Schreiben im Café ist nicht mein Ding, die Geräuschkulisse lenkt mich ab, und meine puschelige Co-Autorin ist eine Drinnen-Katze und dürfte nicht mit. Außerdem lese ich mir einzelne Passagen gerne halblaut vor, um zu sehen, ob der Rhythmus stimmt. Das ist mir wichtig, auch bei meinen Übersetzungen, die allerdings einen technischen Hintergrund haben.
Haben Sie dabei feste Rituale?
Ich brauche ein Glas Wasser auf dem Schreibtisch, eine interessante, immer mal wieder wechselnde Sitzgelegenheit für meine Katze Pippa – um sie davon abzuhalten, die Tastatur zu „besetzen“ –, meine Boom-Box, um nebenher Musik zu hören. Ich mache mir für jedes Projekt einen Soundtrack, den ich ständig erweitere. Musik ist für mich sehr wichtig. Wenn mir selbst das auf die Nerven geht, dann höre ich Vogelgezwitscher oder binaurale Beats, das entspannt mich vollkommen. Außerdem halte ich sehr viel von Kuschelsocken.
Arbeiten Sie mit einem Notizheft, einer Pinnwand oder Ähnlichem?
Für jedes Projekt habe ich einen Collegeblock, darin zeichne ich mir die Zeitlinie auf und was an welchem Punkt passiert. Auch die Protagonisten und ihre Beziehung zueinander male ich mir dort in kleinen Schaubildern auf. Oder klebe Ausschnitte aus Zeitungen und Zeitschriften ein, die mich inspirieren. Auf meinem Laptop habe ich einen virtuellen Zettelkasten mit den Protagonisten und ihren Eigenschaften, einer Kapitelübersicht und sonstigen Einfällen. Spontane Gedanken schreibe ich auf alles, was Papier ist, leider auch gerne auf Zettel, die eigentlich Einkaufszettel sein sollten, auf denen dann Dinge stehen wie »Sojamilch, Cornflakes, Er muss richtig leiden!«.
Was wollten Sie als Kind werden?
Zuerst wollte ich Tierforscherin werden. Aber dann doch lieber Autorin, weil ich daheim sein würde, um nebenbei Tiere und eine Familie mit Kindern zu haben. Und weil ich mit vier angefangen habe, sehr sehr viel zu lesen, und seither nicht aufgehört habe. Ich erinnere mich an einen Besuch in unserer Bibliothek am Ort, bei dem mich die Bibliothekarin mit dem Satz »Wir haben keine neuen Bücher für dich!« empfing. Da war ich sieben, und es war eine herbe Enttäuschung für mich.
Wie sind Sie zum Schreiben gekommen?
Als Übersetzerin und begeisterte Leserin ist der Weg zum eigenen Schreiben natürlich nicht unfassbar exotisch … Ich bin meinem Kindheitstraum gefolgt und habe als Teenager die ein oder andere schrecklich kitschige Romanze für die Schublade verfasst. In dieser Zeit war ich pferdeverrückt und extrem introvertiert und verbrachte die meisten Pausen in der Schulbibliothek, um – natürlich – Pferdebücher zu lesen. Als meine ältere Tochter ihre Liebe zu Pferden entdeckte, habe ich ihr versprochen, ein romantisches Pferdebuch für sie zu schreiben. Neben dem Übersetzen hatte ich immer wieder einfach so für mich Kurzgeschichten geschrieben, zu mehr reichte die Zeit und Energie einfach nicht. Das Versprechen habe ich mit etwas Verspätung dann tatsächlich eingelöst, und meine Tochter fand es gut. Das Projekt hat noch keine Veröffentlichung gefunden, ihm verdanke ich aber trotzdem eine Menge – es hat mich in den Schreibprozess, zu meiner wunderbaren Agentur und letztendlich zu einem weiteren Projekt – meinem Debüt – gebracht.
Welche/r Autor*in/welches Buch hat Sie nachhaltig geprägt?
Der sagenhafte Favorit meiner Kindheit ist ›Der Leuchtturm auf den Hummerklippen‹ von James Krüss. Da kriege ich heute noch Gänsehaut, wenn ich es in die Hand nehme. So ein schöner schöner Anfang: Alle Möwen heißen Emma. Und die Geschichten innerhalb der Geschichte! Manche Bücher nutzen sich einfach nicht ab, auch wenn man sie oft liest, das finde ich absolut faszinierend. Von Jane Austen will ich hier natürlich gar nicht erst anfangen…
Welcher Autor sollte unbedingt noch entdeckt werden?
Hmmm, ich bin nicht gerade eine Entdeckerin… das machen andere Leute wesentlich besser! Ich folge mit großer Begeisterung einigen Podcasts und führe epische Will-ich-lesen-Listen, das ist aber auch schon alles…
›Ordinary People (Leute wie wir)‹ von Diana Evans. Das hat mich noch lange in Gedanken begleitet.
Wen oder was wollen Sie unbedingt noch lesen?
Ein paar Klassiker aus meinem Studium wollte ich unbedingt nochmal lesen, u.a. ›Middlemarch‹ von George Eliot, und alles von Alice Munro. Aktuell macht mich die Jahreszeiten-Tetralogie von Ali Smith neugierig, und endlich mal Rebecca von Daphe du Maurier, und dann dieser Riesenstapel neben Bett und Sofa…
Was lesen Sie zurzeit?
Gerade lese ich ›Girl, Woman, Other‹ von Bernardine Evaristo, und als Hörbuch ist dran: ›The Paper Palace‹ von Miranda Cowley Heller.
Wo lesen Sie am liebsten?
Morgens eine halbe Stunde auf meinem Balkon, am Küchentisch oder im Wald, im Schlosspark oder im Zug und überall, wo sich gerade ein paar Minuten Wartezeit ergeben könnten. Ich bin absurd nervös, dass mir irgendwo der Lesestoff ausgehen könnte, weshalb ich auch auf den kürzesten Trip mindestens zwei Bücher mitschleppe. Abends lese ich selten, meistens schreibe ich, wenn keine anderen Pläne anstehen, noch eine Runde. Dann ist alles um mich herum wieder zur Ruhe gekommen und die Gedanken können frei fließen.
Wofür legen Sie jedes Buch beiseite?
Wenn es mich richtig reinzieht, dann lege ich es nur für meine Familie, Lieblingsmenschen und –tiere beiseite. Und natürlich zum Schreiben.