Zu Besuch bei … Johanna Adorján

Warum es besser wäre, mit der Hand zu schreiben, was Notizbücher und Reisepässe gemeinsam haben und welche Bücher einen bleibenden Eindruck hinterlassen und ihre Leser*innen nachhaltig prägen können, erfahren Sie hier: Herzlich Willkommen in der Schreibwerkstadt von Johanna Adorján!

Wie sieht Ihr Schreiballtag aus? 

Ich würde wahnsinnig gerne mit der Hand schreiben, weil ich mal gelesen habe, dass man sich so schreibend oft selbst überrascht, dass das Schreiben mit der Hand etwas Intuitiveres hat als das Tippen am Computer. Aber leider kann ich meine eigene Handschrift wirklich sehr schlecht lesen. Ich schreibe auf einem Apple-Laptop. Und wenn, was bei Apple-Laptops ja sehr schnell passiert, wieder mal irgendwelche Tasten klemmen o.ä., dann schreibe ich auf dem nächsten Apple-Laptop. Von irgendwas muss Apple schließlich leben! 

Haben Sie dabei feste Rituale? 

Ich bin inzwischen etwas neurotisch und glaube, dass nur gut wird, was vormittags geschrieben wurde. Früher dachte ich noch: vor dem Abend. Inzwischen bin ich runter auf vor 13 Uhr. Es ist dadurch nicht einfacher geworden. 

Arbeiten Sie mit einem Notizheft, einer Pinnwand o.Ä.? 

Wenn mir unterwegs was auffällt oder einfällt, schreibe ich es mir in ein kleines Notizheft. Ich habe sehr viele Notizhefte, weil ich am liebsten nur die ersten paar Seiten benutze. So ein neues Notizheft, das man eben erst anfängt, wirkt viel verheißungsvoller als eines, in dem nur noch hinten was frei ist und man überhaupt nicht mehr weiß, was man weiter vorne gemeint hatte und womit man nie etwas angefangen hat. Am liebsten sind mir die winzigen Notizbücher von Moleskine (extra small) oder die von Muji, wobei man da bei den roten höllisch aufpassen muss, wenn man verreist, weil sie exakt dasselbe Format haben wie ein Pass. 

Was wollten Sie als Kind werden? 

Nicht Pianistin. 

Wie sind Sie zum Schreiben gekommen? 

Studiert habe ich etwas ganz anderes, nämlich Theater- und Opernregie. Während des Studiums lernte ich seltsamerweise lauter Journalisten kennen, die ich sehr darum beneidete, dass sie ganz alleine ihre Arbeit machen konnten, sozusagen die volle Kontrolle hatten, während ich davon abhing, wann der Beleuchter Zeit zum Leuchten hatte oder wie groß das komische Talent einer Mezzosopranistin war. Ich studierte dann zwar noch fertig, beschloss aber, niemals in diesem Beruf zu arbeiten und schrieb erste Texte fürs Jugendmagazin der Süddeutschen Zeitung und von da ging es weiter. Und wie das so ist bei Journalisten: um mich herum veröffentlichten ständig alle Bücher. Das wollte ich auch gerne, wusste nur nicht, worüber. Irgendwann fragte ich die Schriftstellerin Lily Brett, die ich über eine gemeinsame Freundin kennengelernt hatte. Sie fragte zurück: Welche Geschichte, die du kennst, berührt dich am stärksten? Da wusste ich, als hätte die ganze Zeit auf diese Frage gewartet, um endlich anzufangen, dass ich über meine Großeltern schreiben würde, die sich zusammen das Leben nahmen, als ich Anfang zwanzig war. Sie hatten als ungarische Juden den Holocaust überlebt, waren 1956 nach Dänemark geflohen, man fand sie Hand in Hand, tot, in ihrem Bett. Das wurde mein erstes Buch, ›Eine exklusive Liebe‹. 

Welche/r Autor*in oder welches Buch hat Sie nachhaltig geprägt? 

Ich muss deshalb sagen: Lily Brett. Auf ganz praktische Weise. Nicht nur verdanke ich ihr also irgendwie mein erstes Buch. Wenn ich beim Schreiben nicht weiterkomme, kann ich sie auch immer fragen, und sie gibt mir dann guten Rat. Welcher Autor sollte unbedingt noch entdeckt werden? (Warum?) Meine Freundin Eva Javorka aus Salzburg. Ich kenne niemanden, der so tiefe und lodernde Sätze schreibt, mit Formulierungen, die man noch nie so gehört hat und die man nie wieder vergisst, weil sie so unglaublich treffend sind, außerdem saulustig, aber auf diese tröstende Art, die um die Zumutungen weiter Teile des Lebens weiß. Wir schreiben uns Briefe. Ich bin schon ewig mit ihr befreundet und weiß nicht, wie oft ich ihr schon gesagt habe, dass sie schreiben muss. Aber sie lacht dann immer nur und sagt, das könne sie nicht. Sie ist Musikerin.

Welches Buch hat Sie jüngst begeistert? 

Ich hab mal wieder in Rainald Goetz ›Abfall für alle‹ reingelesen, was man bei diesem Buch ja, glaube ich, darf, reinlesen, das ja aus lauter Notizen und Einfällen besteht, von ihm im schönen Jahr 1998 gedacht, und war wieder so begeistert davon, wie lässig er mit dieser so sperrig genauen Sprache Deutsch umgeht, als wäre es ein Spiel, das keiner so gut kann wie er. Wahnsinnig toll. 

Wen oder was wollen Sie unbedingt noch lesen? 

Den ersten Roman von Eva Javorka. 

Was lesen Sie zurzeit? 

Thomas Bernhard ›Beton‹. 

Wo lesen Sie am liebsten? 

Im Bett. 

Wofür legen Sie jedes Buch beiseite? 

Fürs Schlafen.