Zu Besuch bei … Sarah Höflich

Wie sie Familie, Job und ihre Leidenschaft, das Schreiben, unter einen Hut bekommt, verrät uns heute die Autorin Sarah Höflich. Ihr Erfolgsrezept: Flexibel bleiben und ruhige Orte und Momente nutzen. So ist ihr neues Buch ›Heimatsterben‹ an den verschiedensten Plätzen entstanden. Wo genau, erfahren Sie in Sarah Höflichs Schreibwerkstatt!

Wie sieht Ihr Schreiballtag aus?
Da ich hauptberuflich als Produzentin für die UFA arbeite und zwei kleine Kinder habe, schreibe ich immer dann, wenn ich irgendwie Zeit finde, bzw. schaufele mir Zeit dafür frei. Dies wäre nicht möglich ohne die tolle Unterstützung meines Arbeitgebers, meiner Kolleg*innen und vor allem meines Mannes, der immer wieder bereit ist, unsere Kinder zu »übernehmen«, damit ich Roman-Zeit habe. Oft schreibe ich abends und an den Wochenenden. Per Hand mache ich mir ab und zu Notizen – was mir unterwegs durch den Kopf geht, wird ins iPhone getippt, das geht am schnellsten und ich habe es (fast) immer dabei. Viele Gedanken und Ideen kommen mir beim Laufen und Wandern in der Natur. Da fallen mir sogar plötzlich ganze Formulierungen und Textpassagen ein. Es ist immer ein super Gefühl, wenn der Text anfängt, sich quasi »von selbst zu schreiben«. Das geht mir bei Drehbüchern oft so. Irgendwann fangen die Figuren an zu reden und ich sehe die Szene vor mir, als würde ich einen Film schauen. Ich muss dann nur alle Eindrücke und die Dialoge möglichst gut und genau runterschreiben. Beim Prosa-Text ist das schon schwieriger, da ist die erste Formulierung oft noch nicht die perfekte und ganz viel entsteht in der Überarbeitung.

Haben Sie dabei feste Rituale?
Ich höre gerne Musik beim Schreiben – sie muss natürlich zum Text bzw. zum Thema passen. Im Laufe der Arbeit an ›Heimatsterben‹ ist eine richtige Playlist entstanden, die über die Monate immer länger wurde. Aber sonst gibt es eigentlich kaum Rituale. Laptop auf und los. Einen festen Ort habe ich auch nicht – ich kann eigentlich überall schreiben, in Cafés (wenn sie nicht zu laut sind), im Büro, im Zug, im Flugzeug, auf der Terrasse – auch bei uns im Haus gibt es unterschiedliche Orte (je nachdem, wo es gerade am ruhigsten ist). Einer meiner Lieblingsplätze ist am Kopfende von unserem großen Tisch im Esszimmer, von dort aus hat man einen schönen Blick in den Garten.

Arbeiten Sie mit einem Notizheft, einer Pinnwand o.Ä.?
Ich habe ein gebundenes Notizbuch mit Kalender, das ich für meine Arbeit als Produzentin verwende, aber natürlich auch für Roman-Ideen. Ich mag analoge Übersichten und Listen. In dieses Buch kommt alles rein, wirklich alles, und wenn es voll ist, beginne ich das nächste – ansonsten würde bei mir eine chaotische Zettelwirtschaft herrschen. ;-)

Was wollten Sie als Kind werden?
Unterschiedlichste Ideen: Tierärztin war mal hoch im Kurs, Journalistin, Menschenrechtsanwältin – auf Autorin bin ich als Kind nie gekommen.

Wie sind Sie zum Schreiben gekommen?
Irgendwie geschrieben habe ich eigentlich schon, seit ich lesen kann. Gedichte, kleine Geschichten, als Kind habe ich dazu auch viel gemalt. Aber die Idee, das Schreiben zum Beruf zu machen, hatte ich erst später, mit ca. 20, angestoßen durch verschiedene Freunde. Ein junger Filmemacher riet mir, an einem Drehbuchwettbewerb teilzunehmen, wodurch ich zur Soap kam und meinen ersten Job als Storylinerin hatte. Ich war völlig überwältigt davon, wie viel Spaß die Arbeit mit anderen Autor*innen im Team macht – und dass man davon tatsächlich auch ganz gut leben kann. Durch einen amerikanischen Freund erfuhr ich parallel vom Studiengang »Creative Writing«, der ja in den USA schon viel länger Tradition hat als bei uns, und wurde ermutigt mich um ein Stipendium zu bemühen, was dann zum Glück geklappt hat. Die drei Jahre in den USA haben mich sehr geprägt, auch als Autorin. Ich hatte zwar vorher schon Englisch studiert, aber in einer fremden Sprache zu schreiben, ist eine ganz besondere Erfahrung, die einen viel Demut lehrt. Das Englische hat so eine Reichhaltigkeit an Vokabeln und ist dadurch oft komplexer als es scheint, aber auch unglaublich warm und poetisch. I fell in love with it. Deeply.

Welcher Autor/welches Buch hat Sie nachhaltig geprägt?
Als Kind waren das ›Die Schatzinsel‹ von R. L. Stevenson und ›Reise zum Mittelpunkt der Erde‹ von Jules Verne. In der Oberstufe hatten es mir Max Frisch und Heinrich Böll sehr angetan, während des Studiums Ian McEwan, Paul Auster und Siri Hustvedt. Und eins meiner absoluten Lieblingsbücher ist und bleibt ›Das Geisterhaus‹ von Isabel Allende. Wahrscheinlich, weil mich schon immer die Verbindung von Familienroman und Zeitgeschichte fasziniert hat.

Welche/r Autor*in sollte unbedingt noch entdeckt werden?
Ganz viele! Ich bin überzeugt, dass es eine Menge Autorinnen und Autoren da draußen gibt, die ein unfassbares Talent haben und noch nicht wirklich »entdeckt« wurden. Weil es bis dahin ein verdammt harter Weg ist. Ich weiß, wie viel Mut dazu gehört, überhaupt erstmal »aus der Deckung« zu kommen. Und wie weh Absagen tun. Deswegen: an alle, die eine Idee haben und zweifeln oder zögern: schreibt Euer Buch!

Welches Buch hat Sie jüngst begeistert?
»Löwen wecken« von Ayelet Gundar-Goshen. Eine wirklich bewegende Geschichte, meisterhaft erzählt. Und eine echte Inspiration während der Phase meines eigenen Lektorats.

Wen oder was wollen Sie unbedingt noch lesen?
Alles und jede/n, den/die man mir empfiehlt. Ich bin total offen. Besonders für Debüts und neue Autor*innen.

Was lesen Sie zurzeit?
»Marianengraben« von Jasmin Schreiber. Ein ganz zauberhaftes Buch, das mich sehr berührt. Ich habe wenig Zeit zum Lesen, abends schlafe ich häufig über Büchern ein, selbst wenn sie gut sind, einfach aus reiner Müdigkeit – über diesem nicht!

Wo lesen Sie am liebsten?
Eigentlich egal wo – bei mir geht’s eher ums wann. Unterwegs. Auf Reisen. Im Urlaub. Am Strand. Abends. Wenn Zeit ist. Oder ein Buch so gut, dass mir dabei das Essen anbrennt.

Wofür legen Sie jedes Buch beiseite?
Natürlich für meine Familie, meine Kinder. Aber auch jederzeit für gute Freunde. Und gelegentlich für eine spannende neue Serie oder einen Film. Vor allem aber: um selbst zu schreiben.